Freitag, 7. September 2012

Das war Indien


Ich sitze nicht mehr auf meinem Campus, sondern an meinem Schreibtisch in Dortmund. Statt das Brummen eines Ventilators zu hören und auf dem Campus in Koppal zu sitzen, schaue ich auf den grünen Innenhof und genieße einen leckeren Pfefferminztee.

In diesem Bericht möchte ich meinen Freiwilligendienst ein bisschen abschließen, und letzte Dinge über den Dienst aufschreiben. Alles andere ist natürlich in meinen Gedanken und meinem Kopf, aber es folgt nun eine neue spannende Lebensphase, die es auch vorzubereiten und zu leben gilt.
Nach einem Jahr Indien, leben und arbeiten im südlichen Indien, betrete ich morgens am 1.August den deutschen Boden, und werde von Familie und Freunden begrüßt. Was passiert mit mir? Wo bin ich? Ich hänge zwischen der Luft und weiß erst mal gar nicht wo ich bin.
Es ist wahnsinnig schön wieder da zu sein, aber trotzdem weiß ich nicht ganz wie mir geschieht als ich im Auto sitze und bei schönstem Wetter nach Hause fahre.

Ich kann sagen, dass der Abschied von meiner Organisation und meinen Freunden sehr mild und angenehm war. Es war zwar durchaus bewusst, dass ich jetzt wieder nach hause fahre, aber eigentlich hat es sich angefühlt als würde ich nach dem Wochenende wiederkommen. Ich merke im Moment, dass es wie anfangs gedacht schwierig ist, engen und regelmäßigen Kontakt zu den Freunden und zur Partnerorganisation zu bekommen, weil ich doch sehr damit beschäftigt bin mein Leben in Deutschland neu zu ordnen. Aber es macht Spaß, jetzt die Weichen neu zu stellen.
„Wie war es in Indien?“ Es ist natürlich klar, dass man in vielen Alltagssituationen diese Frage hört, aber ich antworte gerne darauf. Meine Antwort ist meistens „Die beste Erfahrung meines Lebens“. Man merkt dann schon, wer genauer nachfragt oder es dabei belässt.

Immer wenn ich in den Medien oder auf der Straße Inder oder Inderinnen sehe, oder mit Indien in Berührung komme, ein Lächeln auf dem Gesicht habe, und daran denke, wie ich es erlebt habe. Es ist nämlich so, dass ich nun ein bisschen mehr über dieses verrückte große Land weiß.
Ich habe Indien mit all seinen guten und schlechten Seiten und vor allem den ganzen liebenswerten Menschen tief in mein Herz geschlossen, und würde mich manchmal gerne für einen Tag nach Bengalore oder nach Koppal beamen.

Ich glaube es ist schwer zu erklären, was ich in diesem langen Jahr alles gelernt habe. Ich glaube ich habe in diesem Jahr am meisten über mich selbst gelernt. Ich habe mich selbst aus einer ganz anderen Perspektive gesehen und neu kennen gelernt. Viele Dinge, die mir die Inder beigebracht haben, werde ich erst später sehen und davon profitieren. Auf jeden Fall habe ich gelernt, eine innere Ruhe zu finden und ab und zu ein bisschen das Leben und Situationen mit Ruhe zu bewerten und zu leben (Reisepartner Moritz würde wahrscheinlich jetzt Gegenwände einbringen, aber ich glaube ich bin auf einem ganz guten Weg). Neu hinzugelernt habe ich mit Sicherheit flexibel zu denken und meine deutsche Pünktlichkeit in manchen Situationen wegzulassen.
Ich weiß, dass die Arbeit in Indien mit den Kollegen und den Klienten und ich als deutscher Kollege nicht immer die einfachste war, aber ich denke das wir dort unten viel gemeinsam bewegt und erreicht haben.
Ich kann an die Momente erinnern, wenn wir nach wochenlangen Anstrengungen mit einem Klienten oder einem Dorf einen Durchbruch hatten, und weiterkamen. Meine Arbeit war teilweise wie ein steiler harter Berg. Zunächst muss man ansteigen, und es wird, je höher man steigt, steiler und schwieriger. Aber es gibt irgendwann einen Punkt, an dem man oben angelangt ist und entspannt absteigen kann.


Diejenigen, die meine anderen Berichte gelesen und meinen Blog verfolgt haben wissen, dass ich sehr für mein Projekt und meine Partnerorganisation, sowie für die Kollegen vor Ort geschwärmt habe. Der ganz klare Vorteil ist die jahrelange Erfahrung, die SAMUHA mit Freiwilligen hat und anwendet. Man spürt eine konstante Wärme und Herzlichkeit, und fühlt sich bei seinen Kollegen und Freunden immer aufgenommen.
Als ich letztens einen Vortrag über Indien gehalten habe kam es mir mittendrin doch komisch oder skurril vor, dass ich als Deutscher völlig normal ein Jahr unter vielen Indern gelebt habe und sehr schnell (zumindest auf dem Campus) ganz normales Mitglied des Campuses war.

Da ich bei Samuha wirklich eine so tolle Zeit hatte, gibt es für mich eigentlich keine Nachteile in diesem Projekt. Man muss hier allerdings anfügen, dass man als vollwertiges Mitglied des Teams angesehen wird und somit auf dem Campus und im Dorf auch viel Verantwortung trägt. Dies hat mich jedoch immer angespornt, gut zu arbeiten und besser zu werden. Wie bereits angekündigt, hatte ich ein Team und vor allem einen Chef um mich herum, dass/der mich stets gefördert und unterstützt hat. Diesbezüglich gab es für den Freiwilligen ein eigenes Projekt und ich war stets gut ausgelastet. 
Ich denke, dass das Functional Adaptation Projekt ohne Moritz und mich nicht in dem Maße möglich gewesen wäre, wie wir es durchgeführt haben. Ich denke wir können hier von einem beidseitigen Nutzen sprechen. SAMUHA war froh, dass sie Freiwillige haben und haben werden, die sich um ein Projekt kümmern, das sozusagen ein Bonbon zu den anderen Projekten ist. Ich wiederum bin froh, dass ich die Möglichkeit habe, in diesem Projekt meine Fähigkeiten zu erweitern und viel dazu zu lernen.

Gleichzeitig habe ich immer das Gefühl gehabt, mit meiner Entsendeorganisation SCI in Deutschland eine seriöse und gute Organisation ausgewählt zu haben, die mich vor, während, und nach meinem Dienst begleitet hat. Ich denke, dass die Betreuung vom SCI nicht normal, sondern ausgezeichnet war und ist.
Auch mein Reisepartner Moritz, mit dem ich vieles in diesem Jahr erlebt und gemeinsam getan habe ist ein guter Freund fürs Leben geworden, mit dem ich hoffentlich noch das ein oder andere mal nach Indien oder in die weite Welt reise.


Ich möchte nun abschließend zwei Jahre in die Vergangenheit gehen. Der Gedanke, einen Freiwilligendienst im Ausland zu leisten entstand in der 12.Klasse. Mit welchen Einstellungen und Gedanken habe ich mich dazu entschieden diesen Dienst zu leisten? Was davon ist eingetreten?
Ich schrieb also in der Bewerbung folgendes:

„Ich möchte an dieser Stelle zum Ausdruck bringen, dass ich mich ernsthaft für den Dienst im Ausland interessiere, und ich mir in meiner Entscheidung sicher bin. Die oben stehenden Ausführungen sind meine Überzeugung. Es ist ein großer Wunsch von mir, für ein Jahr wegzugehen, und mit einem kleinen Teil dafür zu sorgen, dass die Welt, in der wir leben, ein bisschen besser wird. Ich bin bereit, auf den Lebensstandard in Deutschland für ein Jahr zu verzichten, und mich der dortigen Kultur anzupassen. Ich möchte meinen Horizont erweitern, und meine Perspektive wechseln.“




Ich glaube, dass meine Erwartungen und Wünsche an ein Auslandsjahr mehr als übertroffen wurden.
Ich hoffe, dass ich durch meine Arbeit das Leben von fünfzehn Klienten ein bisschen unabhängiger machen konnte. Was ich wirklich tun konnte und was von meiner Arbeit nachhaltig war werde ich sehen, wenn ich das nächste Mal bei SAMUHA zu Besuch bin.
Wenn ich bedenke, dass ich mir dieses Auslandjahr vom Schreibtisch aus organisiert habe, ist es erstaunlich, dass wirklich alles so funktioniert hat wie ich es mir vorgestellt habe.

Und wie geht es weiter?
Ich beginne, wie bereits erwähnt, im Oktober mit meinem Grundschullehramtsstudium in Würzburg, und freue mich wirklich sehr darauf. Ich freue mich auf eine lange Freundschaft zur SCI Familie und zur ehrenamtlichen Arbeit in den verschiedenen SCI AGs und Gruppen. Wie genau sich diese gestaltet werde ich sehen, wenn ich in Würzburg angekommen bin. Dieses Abenteuer im exotischen Asien hat mich dazu angeregt, demnächst weitere Reisen in exotische Reisen z.B. nach Südostasien, Osteuropa, Südafrika oder Israel zu machen.
Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen danken, sowohl Freunden, Familie und Bekannten, die mir dies möglich gemacht haben und mich in meinem Weg unterstützt und begleitet haben. Ich bin froh, dass ich damals den Mut hatte diesen Schritt im Leben zu gehen.

Und wenn ich demnächst mal wieder einen Bericht über Indien im Fernsehen sehe, dann schließe ich meine Augen, und spüre das Gefühl und die Spiritualität, die Magie, die durch dieses Land zieht.
Ich höre den Muezzin, der abends in Koppal zum Gebet ruft, ich rieche den aufgewirbelten Staub, der sich abends in den Straßen niederlässt, ich sehe den indischen herzlichen Teeverkäufer der mir mit einem tiefen Lächeln seinen Tee verkauft, und den Rikshaw Fahrer, der mich ans andere Ende von Bengalore bringt.
Was und wie diese Magie Indiens ist, und was diese Magie mit einem selbst macht, kann ich nicht beschreiben, ich kann nur jedem selbst wärmstens ans Herz legen, selber in den Flieger zu steigen, und Indien:
Zu erleben ….

Dienstag, 31. Juli 2012

Der letzte Blogeintrag aus Indien

Ich verlasse das Haus meiner Freundin Hema in Bangalore, und steige das letzte Mal  in eine indische Rikshaw ein. Der Fahrer scherzt ein bisschen und hilft mir freundlich mit meinem Koffer, das Ziel heißt dieses mal Aiport Bus, und Bengaluru International Airport
Ich weiß gar nicht was mit mir passiert, ich tue es einfach. Das Projekt habe ich bereits verlassen und die letzten drei Tage meines Auslandsjahres in Bangalore verbracht.

Nun sitze ich hier, liebe Blogleserinnen und Blogleserinnen um 01:31h indischer Zeit am Gate und warte auf den Lufthansa Vogel, der mich nach elf Monaten indischem Abenteuer nach Hause bringt.
Es fühlt sich komisch an, Indien ist ganz fern, und Deutschland noch nicht in Sicht.


Es war die beste Zeit meines Lebens, die Erwartungen sind mehr als übertroffen.
Was kommt morgen? Ich freue mich drauf und werde es erleben.


"India will miss you" sagt der Beamte der mein Visum abstempelt, und ich gehe mit einem sehr guten Gefühl nach Hause, hier etwas tolles erlebt und erreicht zu haben.
Wir sehen uns morgen, ich freue mich sehr auf euch.



Euer aller:
Florian Oschmannn

Donnerstag, 14. Juni 2012

Das schönste Dankeschön

Liebe Blogleserinnen und Blogleser,

es ist mal wieder Zeit einen Eintrag zu machen, und zu erzählen, was hier im Süden Indiens bei mir passiert, was mich bewegt, und wie es im Projekt vorangeht.
Ich habe es geschafft, zusammen mit meinem Kollegen Virupaxi das Projekt nochmal richtig anzukurbeln, und sitze deshalb von morgens bis abends hinten auf dem Motorrad. Wir verbringen viel Zeit mit den Klienten, und versuchen, die letzten Projekte in den Dörfern gut abzuschließen.
Ich merke schon, dass mir ein bisschen die Zeit wegrennt, und ich versuche deshalb den Kampf gegen die Zeit zu gewinnen. Im Moment sieht es gut aus;-).

Letztens ist mir einmal sehr deutlich bewusst geworden, dass ich wirklich ein ganzes Jahr hier in Indien gelebt und gearbeitet habe, und die Zeit bald vorbei ist.
Eine ganz schön lange Zeit verbringst du hier, denke ich mir manchmal, und ein ganz schön krasses Ding ziehst du da durch, dass sage ich manchmal.
Es war definitiv die beste Entscheidung, nach dem Abitur den Backpacker zu packen und in die Welt zu ziehen. Dabei habe ich die einmalige Möglichkeit bekommen, die Kultur und die Menschen Indiens und des Hinduismus kennen zu lernen, und damit verbunden viel über das Thema Behinderungen/Entwicklungshilfe zu lernen und Menschen aktiv zu helfen. Genauso wie ich den Menschen geholfen habe, haben die Menschen mir geholfen.
Ja, Indien.Aus einer Verknalltheit ist eine Liebe geworden, und ich erlebe die letzten Wochen in einer besonders intensiven Art und Weise.
Ich bin stark ins Projekt involviert, und versuche auf der Zielgeraden nochmal alles für meine Kollegen und Klienten zu geben. Wir sind somit mit dem Bau des Social Rehabilitation Centres sehr weit, und ich hoffe, dass wir den Centre bald fertigstellen können.
Die Menschen Indiens, Indien und meine Arbeit haben mich in einer sehr besonderen Art und Weise geprägt, dass ich derzeit überlege, meinen Traum Grundschullehrer zu werden damit verbinde, mit behinderten und benachteiligten Kindern zu arbeiten.
Ich habe wirklich wahnsinnig Spaß dabei, mich mit den taubstummen Kindern auf dem Campus zu beschäftigen. Für mich sind es die intelligentesten Kinder, die ich in meinem bisherigen Leben gesehen habe.
Ich werde diesen Gedanken behalten, und zu späterem Zeitpunkt ausführen.
Ich habe in diesem Auslandsjahr und in meiner Arbeit am meisten über mich selbst gelernt. Ich habe dabei gelernt, wer ich eigentlich bin, was mich ausmacht, warum ich so bin wie ich bin, und wo mein Weg nach Indien hingeht.

Abschließend möchte ich euch eine sehr bewegende Geschichte erzählen. Sie ist real, und stammt aus meinem Arbeitsalltag. Ich habe einen Klienten namens Mourtigouda. Er hat eine Querschnittslähmung, und dies seit 17 Jahren. Ich besuche ihn das erste mal im September letzten Jahres, erfahre mehr und mehr über sein Krankheitsbild und sein Leben, und mache mir Gedanken wie ich ihm helfen kann. Er lebt alleine, sehr vereinsamt, und hat zu seiner Familie seit seiner Querschnittslähmung keinen Kontakt. Mourtigouda lag zu Beginn meiner Hilfe sehr deprimiert auf dem Boden, und es war kaum möglich, ein Gespräch mit ihm zu führen. Mich hat von Anfang an sehr bewegt, dass Mourtigouda eine unfassbare Lebensfreude hat, die man immer wieder erkennen kann. Mourtigouda verbringt seine Zeit hauptsächlich mit Schreiben und Dichten. Dadurch verarbeitet er unter anderem seine Armut, seine ökonomische und physische Situation und vor allem: seine Einsamkeit. Ich hatte von Anfang an den Willen, Mourtigouda zu helfen, und zunächst stand ein Rollstuhl auf dem Programm. Hierzu muss ich sagen, dass man in Indien nicht sofort alles machen kann, sondern kleinschrittig denken muss. Vom Local Government einen Rollstuhl zu bekommen ist sehr schwierig, obwohl Geld für entsprechende Hilfe vorhanden ist. Durch fehlende Unterstützung war Mourtigouda also stets an sein Haus gefesselt, und hat im letzten Jahrzent nicht mehr als die Häuser und die Menschen seines Dorfes gesehen. Ich habe wöchentlich versucht, Mourtigouda zum Leben zu motivieren und vor allem, seine Behinderung anzuerkennen und sein Leben eigenständig durchzuführen.
Es ist mittlerweile Februar, und nachdem sich dem der Kampf gegen die lokalen Politiker auf ein halbes Jahr hinausgezögert hat, habe ich von meiner Organisation Samuha eine Zusage für einen Übergangsrollstuhl bekommen. Ich konnte also aus unserer Campuswerkstatt einen Rollstuhl leihen, und ihn Mourtigouda vorbeibringen. Als Mourtigouda sieht, dass ich Nägel mit Köpfen mache und ihm einen Rollstuhl vor die Tür stelle kann er nichts mehr als weinen. Er ist so glücklich, dass es direkt ein spontanes Dorffest gibt, zu dem alle Nachbarn kommen und spontan Tee getrunken wird.

Warum erzähle ich euch diese Geschichte? Es ist mittlerweile April, und ich bin dabei, weitere Adaptationen für Mourtigouda zu planen(Rampe, Duschplatz,...). Ich fahre zu ihm raus, und sehe Aus dem Augenwinkel am Straßenrand jemanden, der mir aus einem Rollstuhl zuwinkt. Ich bitte meinen Kollegen, anzuhalten, und traue meinen Augen nicht: Mourtigouda ist mit seinem Rollstuhl zum TeaShop seines Dorfes gefahren, der circa 15min. von seinem Haus entfernt ist. Es hat mich in diesem Moment unfassbar stolz gemacht, dass wir erreichen konnten, dass Mourtigouda (anfangs nur liegend) seinen Rollstuhl annimmt und sein Dorf unsicher macht.
Bei diesem Klienten hat der Rollstuhl neben anderen Effekten vor allem einen schönen Effekt: Der Kontakt zur Außenwelt! Das Stichwort in meiner Arbeit ist klar: Unabhängigkeit! Mourtigouda hat selbst die Initiative ergriffen zu den Menschen rauszufahren.


Mourtigouda konnte ich helfen. Und er hat in einer sehr besonderen Art und Weise auch mir geholfen. Wie ? Das kann man nicht in Worte fassen.
Das Lachen, das er mir geschenkt hat, als er mir ganz freudig zu gewunken hat, ist: unbeschreiblich, und das schönste Dankeschön das man für seine Arbeit bekommen kann......




 

Donnerstag, 3. Mai 2012

Was geschah?


Namaskará,
liebe Leserinnen und Leser,

mit einem langen Bart, und braun gebrannt sitze ich mal wieder vor meinem Laptop und schreibe ein paar Zeilen für euch. Der Ventilator brummt, und es ist angenehm, das ein kühler Wind übers Land geht. Abends, wenn ein Regenschauer die Hitze des Tages vertreibt kann man das Prasseln auf den Dächern des Campuses hören.
Acht Monate, das sind ganze 243 Tage , habe ich nun schon in Indien verbracht. Langsam aber sicher naht der Endspurt, und in nicht allzu langer Zeit bin ich wieder zurück in der besten Stadt der Welt, wo der deutsche Meister Fußball spielt.
In meinem dritten Bericht möchte ich erzählen, was ich bisher erreicht habe, und was ich noch bis zum Ende meines Freiwilligendienstes umsetzen möchte.

Ich fange also da an wo ich Ende Januar aufgehört habe. Ich muss sagen, dass der Weggang meines ehemaligen Kollegen Annand zu Beginn des neuen jahres 2012 doch schwerer zu verdauen war als gedacht, und mich ein paar Wochen zurückgeworfen hat.
Durch die Neustrukturierung meiner Freiwilligenstelle dauerte es doch bis in den Februar hinein, das Projekt wieder in Gang zu setzen.
Das Motivationstiefmonster, dass zu Beginn diesen Jahres Guten Tag sagte, wurde mit Geduld und Ruhe überwunden, und ich konnte in den normalen Alltag zurückfinden.
Mit ganz elementaren Fragen und Gedanken wie “Warum läuft das jetzt nicht so?” oder “Das muss doch jetzt schneller gehen” bin ich mit meiner Arbeitsweise, mit der ich ins neue Jahr starten wollte, gekonnt vor die Wand gefahren. Es hat zwar ein halbes Jahr gedauert, die indische Arbeits- und Lebensweise kennen zu lernen und zu erleben, richtig fühlen konnte ich sie aber erst nach dem überwundenen Tief im Januar. Arbeitsabläufe gehen auf einmal viel leichter von der Hand, man versteht Kollegen noch besser als vorher, und man schafft es durch innere Ruhe im Alltag mehr zu erreichen.Ich bin im indischen Flow, und fühle mich gut damit.
Ich genieße meine Zeit hier in Indien nach wie vor sehr, und kann mit dem indischen Flow die Zeit noch etwas mehr genießen und meine Zeit auskosten.

Wenn ich bedenke, dass ich erst im September letzten Jahres mit meinem Projekt Functional Adaptation einen neuen Klientenstamm in und um Koppal aufgemacht habe, ist es umwerfend zu sehen wie das Projekt jetzt läuft. Es hat viel Mühe, Geduld und Durchhaltevermögen gekostet, die Sache ans Laufen zu kriegen, und es ist schön zu sehen, wie ein Zahnrad ins nächste läuft. Klienten, die noch im Oktober nicht aus dem Bett zu kriegen waren, machen jetzt mit ihrem neuen Rollstuhl Koppal unsicher.

Hier muss ich allerdings anfügen, dass ich nach wie vor bemerke, dass die Motivation und die Mitarbeit der Familie nicht mit dem übereinstimmt, was wir investieren. So hatten wir im letzten November und Dezember ein Kind Priyanka(5Jahre alt), das Ceberal Palsee hat, und vor dem Kontakt zu Samuha nicht laufen konnte. Durch gezielte Early Intervention und Physiotherapie, ausgeführt vom Physiotherapeuten Prabhakar, dem Physiotherapieteam aus Kannada und mir, konnten wir erreichen, dass Priyanka Mitte Dezember eine abgesteckte Strecke ohne Hilfe gehen konnte.
Als ich Priyanka letztens im März gesehen habe, habe ich gesehen, dass Sie nicht in der Lage ist ohne Hilfe zu laufen. Die Mitarbeit der Familie, vor allem der Eltern, ist eine unabdingbare Säule meiner Arbeit. Ich bemerke teilweise zu häufig, dass die Hilfe nicht fortgesetzt wird. Der Kern meiner Arbeit ist eine erzieherische Nachhaltigkeit, durch die erreicht werden soll, das die Dorfbewohner nach meinem Weggang Rehabilitation wie z.B. Eine Rampe selber durchführen können.
Für diesen Übergang ist das Projekt zu diesem Zeitpunkt doch vielleicht noch zu viel jung, aber die Menschen im Dorf merken das etwas passiert und packen ordentlich mit an.

Wir versuchen durch den gezielten Einsatz von Freiwilligen im Dorf eine Eigenständigkeit und Verantwortung im Dorf selbst herzustellen.
Ich sehe mich selbst in der Rolle des Vermittlers, die die Menschen dazu anregt, selber aktiv zu werden. Ich sorge für die Rahmenbedingungen, um einen reibungslosen Ablauf herzustellen. Ich möchte die Klienten und Familien das Fischen lernen, und nicht den Fisch geben.
Ich bin der Meinung, dass ich an meiner Arbeit und dem Leben in Indien sehr wachse, und viel für mein späteres Leben lerne. Vor allem in den Bereichen Eigenständigkeit, Verantwortliches arbeiten und Konflikte sowie Probleme lösen lerne ich hier viel.
Ich fühle mich nach wie vor in Indien sehr wohl und genieße von ganzem Herzen Land und Leute, könnte mir jedoch nicht vorstellen, Leben in Indien zu verbringen. Ich bekomme durch den Kontakt zu den Freunden auf meinem Campus die Möglichkeit, Fragen zu diskutieren und Sachen in Frage zu stellen.

Es hat im Februar diesen Jahres mit allen wichtigen Personen der Organisation und dem deutschen Mentor David ein Evaluation Meeting gegeben. Dieses war für alle sehr erfolgreich und positiv, denn es wurden viele Dinge evaluiert. Ein paar offene Konflikte konnten gelöst werden. Auch die anschließende gemeinsame Zeit mit David im Projekt haben wir sehr genossen weil es gut war, sich über gewisse Dinge auszutauschen und über persönliche Gefühle zu reden.
Dahingehend das ich zu Beginn dieses Jahres meinen Kollegen gewechselt habe, haben sich auch meine Verantwortungsbereiche und Aufgaben verändert. Da Virupaxi ebenfalls der Koordinator der Commmunity Based Rehabilitation ist, haben wir es so gelöst, dass wir zwei einhalb Tage gemeinsam arbeiten. Darüber hinaus wurde ich von ihm in Arbeitsschritte wie Buchführung, Abrechnung und Dokumentation eingearbeitet, die ich nun eigenverantwortlich selbst durchführe. Für die anderen beiden Tage, an denen er zwar im Projekt ist, aber etwas anderes zu tun hat, steht mir ein anderer Kollege Ramesh zur Verfügung, mit dem ich gerne Arbeiten durchführe(Material organisieren, Koordinierung).
Während ich im letzten Jahr nicht so stark in administrative Aufgaben des Functional Adaptation Projektes involviert war, betreue ich nun das Projekt theoretisch und praktisch.
Dies ist wahnsinnig spannend, und ich lerne hierbei sehr effektiv und genau zu arbeiten. Ich habe noch ein bisschen mehr Eigenverantwortung, und kann mich von Pläne zeichnen, bis Material organisieren, bis hin zu Village Meetings und der letztendlichen Durchführung des Projektes restlos austoben. Da ertappt man sich schonmal dabei das es draußen dunkel wird und man immer noch ganz faszniert über den Plänen sitzt. Irgendwann kommt dann aber der Koch und macht dem ganzen ein Ende;-). Hierzu möchte ich sehr klar betonen, dass wir genug Freizeit und Urlaub haben, aber die Arbeit wirklich so viel Spaß macht, dass wir auch mal gerne ein bisschen mehr machen. Das Verhältniss stimmt auf jeden Fall.

Vor der Durchführung des Projektes oder bei ein paar ungeklärten Arbeitsschritten gibt es natürlich eine Absprache mit Virpuaxi, Ramesh und/oder den anderen Teamkollegen, so dass man nochmal eine ganz anderer Arbeitsablauf besprochen wird.
Es ist durchaus ein bisschen schade, dass ich nicht mehr so oft in die Camps von den taubstummen Kindern eingesetzt werden kann, aber ich versuche soweit es geht daran teilzunehmen. Manchmal muss dann doch noch eine andere Sache weggearbeitet werden.
Es ist schon sehr erstaunlich, wie schnell man sich in ein Team einleben kann, und ich habe ein gutes Gefühl, mitten im Projekt zu stecken und auch akzeptiert zu sein. Manchmal vergisst man ganz das man ein Freiwilliger des SCI ist, weil ich hier als vollwertiger Mitarbeiter angesehen werde. Hierbei hat mir vor allem das Team der Kollegen und Chefs geholfen, die mir viel Vertrauen schenken und mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Somit konnte ich es schaffen, bis Ende März zehn Adaptations umzusetzen. Hierzu gehören drei Rampen, zwei Festhaltestangen an einer Wand, ein Toilettenhaus mit Rampe, eine Rampe aus Lehm und eine Holztreppe für ein öffentliches Gebäude, einen Sitzblock für ein Badezimmer und für einen Klienten zwei parallele Einsenstangen, um tägliche Übungen durchzuführen (Gleichgewicht).
Ich habe bereits damit angefangen, zusammen mit Moritz und den anderen Kollegen des Teams den Garten meines Campuses behindertengerecht und schön umzubauen.
Es stehen also vier ausstehende Projekte auf meiner Liste, die ich gerne bis Ende Juli fertigstellen würde. Ich mache mir diesbezüglich keinen Druck, sondern weiß, dass ich ausstehende Projekte an einen neuen Freiwilligen abgeben kann.









Ich konnte die letzten Wochen unter anderem (wie oben beschrieben) für ein öffentliches Gebäude tätig sein, für welches ich eine Holztreppe entworfen habe: 



Diese Treppe ermöglicht den Barrierefreien Einstieg in ein Büro, dass etwas unterhalb einer Straße liegt. 

















Ich saß seit September letzten Jahres 
an der Planung für den Umbau des Campusgartens. Dieser sollte zum einen für Menschen mit Behinderungen zugänglich, und zum anderen schön gemacht werden. Nach achtmonatiger Planungsphase konnten wir letzte Woche mit dem Bau beginnen und sind fast fertig. Hier rechts und unten kann man erste Arbeitsergebnisse sehen.


Ausserdemsitze ich derzeit zusammen mit Moritz und unserem Workshop Mitarbeiters, der die Rollstühle, Protesen und andere Hilfsmittel herstellt und repariert an einer Idee für einen Rollstuhl. Hier rechts ist ein Prototyp zu sehen, der schon auf dem Campus von Klienten ausprobiert wird. Es handelt sich hierbei um ein drittes Stützrad mit einer Kurbel. Die aktuelle Version wird von den Klienten als sehr angenehm empfunden. Ich bin ab und zu in der Werkstatt um Ideen einzubringen, ein neuer Freiwilliger wird sich ab September mit diesem Thema beschäftigen.

Desweiteren sitzen Moritz und ich gemeinsam an einem großen Projekt: Dem Social Rehabilitation Centre. Wir haben seit September letzten Jahres zusammen mit unserem Direktor Hampanna und unseren beiden Teamkollegen an einer Idee gesessen, einen der vier Campuse so umzubauen, dass dort Menschen mit körperlicher Behinderung nach einem Unfall rehabilitiert werden können. Nach nächtelangem Brüten und tausenden Tees sind wir nun soweit: Es kann losgehen;-). Der Campus liegt sehr günstig gelegen auf halber Strecke von Moritz zu mir, und je nach indischer Mentalität wäre es schön, wenn wir es schaffen ein paar Dinge umzusetzen. Es sollen Gruppen von 5-6 jungen Männern für eine Zeit von drei bis sechs Monaten auf dem Irkalgada Campus wohnen, und dort für ein eigenständiges Leben im Dorf nach dem Unfall vorbereitet werden. Hierzu gehört selbstständiges Kochen, duschen, aber auch tägliche Physiotherapie und Gartentraining stehen auf dem Programm.
Unsere Aufgabe ist es, Rampen, Schlafräume, die Küche, Bad, und Toilette sowie anderen Begebenheiten behindertengerecht umzubauen. Klingt spannend? Ist es auch.

Nach jetzigem Stand kann ich diesem Auslandsjahr verbunden mit dem Freiwilligendienst wirklich volle Punktzahl geben. Neben stetig wachsenden Englischfähigkeiten im Schreiben und vor allem Sprechen lerne ich hier wahnsinnig viel über Behinderungen sowie effektive und selbstständige Arbeitsweisen. Es ist einfach schön, bei einfachsten Lebensverhältnissen mit dem Menschen zusammen zu leben und gemeinsam etwas zu erreichen. Der Stempel, den ich bei der Ausreise bekomme, ist ein sehr herzlicher tiefer Indien Stempel in mein Herz, der mich für mein restliches Leben prägen wird.

Abschließend kann ich sagen, dass die Zeit hier in Indien wirklich an mir vorbei geflogen ist, und ich nur zusehen konnte, wie schnell dieses Jahr vorbeigeht. Mit gleichzeitigem Wehmut über den Weggang aus einer geilen Zeit in Indien, freue ich mich sehr auf die Rückkehr in meine Heimat, und auf das Wiedersehen mit Familie und guten Freunden. Ich habe im Moment das Gefühl, dass ich in meinem zuH ause nur noch ein Gast bin, und das es zunächst komisch sein wird in seinen alten neuen Schatten zurückzutreten. Ich freue mich auf jeden Fall auch auf das zeitnahe SCI Seminar, auf dem wir die Möglichkeiten haben, unsere Erfahrungen zu teilen und darüber zu reden.
Mein Weg nach Indien geht an die Uni Würzburg, und ich finde es gut, zwei Monate Zeit zu haben, um sich wieder einzuleben und alles fürs Studium vorzubereiten. Ich werde ab dem kommenden Semester Grundschullehramt studieren.
Der Freiwilligendienst mit den behinderten Menschen hat in mir die Interesse geweckt, mich vielleicht später auf körperliche Behinderungen im Grundschulalter zu spezialisieren. Es ist ein Gedanke im Hinterkopf, und ich werde schauen, ob ich ihn bei geraumer Zeit aufgreife.

So liebe Freunde in Deutschland,
da es einfach nichts mehr zu schreiben gibt, stürze ich mich die nächsten Wochen ins Projekt, und freue mich darauf, euch bald wiederzusehen!

Herzlich Grüßt,
euer Florian Oschmann

Dienstag, 20. März 2012

Das indische Toilettenhaus

Liebe Leser,

wie versprochen gibt es hier ein Bild vom Toilettenhaus mit Plattform.
Wie bereits beschrieben, haben wir die vorher bestehende Wand durchgebrochen, um einen erweiterten Raum zu schaffen.


Wie hier zu sehen ist, gibt es eine Pipe Connection(einen Abfluss) in einen Schacht. Der Schacht besteht aus fünf Zement ringen.. Es kommt ein Deckel drauf, und der Inhalt wird abgeholt.
Links auf dem Bild ist der Klient Shrinivas zu sehen. Diese Toilet House Construction ermöglicht ihm das barrierefreie Nutzen einer Toilette, in Indien ein Umstand der wirklich fast unmöglich ist.









Ich als Projektmanager greife natürlich auch zu Meißel und Hammer und treibe den Bau voran.
Hier sind wir dabei die alte Wand abzureißen.

In Indien feiert man das Neujahrsfest Ende März, und ich werde morgen mit einem Kollegen in ein Dorf fahren, wo wir ganz traditionell Ugadi feiern werden. Kein Strom, kein fließend Wasser, vier Tage Ruhe genießen, ganz nah an der indischen Kultur.
Ich werde erzählen wie es war.

Es grüßt,
Flo aus Indien

Montag, 5. März 2012

Schon mal ein Toilettenhaus gebaut?

Liebe Leser,

nach knapp fünf Wochen möchte ich mich mal wieder bei euch melden und euch auf den aktuellen Stand bringen.
Es passiert hier gerade sehr viel und die Arbeit bockt wirklich sehr. Ich bin also sehr in meine Arbeit vertieft und sitze an vielen spannenden Projekten.
Es ist also mittlerweile warm in Indien. Bei angenehmen 40° chillt man sich durch die Mittagshitze und versucht sich nach aller Möglichkeit nicht zu bewegen. Ich bin auf die Temperaturen eingestellt und komme gut zu recht. Ich freue mich auf den April, da erreichen wir hier Wüsten Temperaturen(45Grad;-) - ich werde berichten. Meine Lieblingspalme, der treue Ventilator und der indische Tee sind gute Mittel um sich mittags ein bisschen hinzulegen.

Hier in meiner Arbeit habe ich grade wirklich spannende Projekte. Ich habe mein bisher größtes Projekt fertiggestellt: Der Bau eines Toilettenhauses. Ich habe also den kompletten Januar und Februar damit verbracht auf der Baustelle rumzuspringen und das ganze zu koordinieren. Es steht;-)
Nebenbei waren die taubstummen Kinder da, die einmal im Monat im Short Stay Camp hier sind und von uns unterrichtet werden. Dazu laufen die anderen Bauprojekte, und Moritz und ich wurden von Mentor David aus Deutschland von unserer Organisation besucht und betreut. Es gab ein großes Evaluation Meeting mit den Direktoren, Mentoren und den TeamKollegen. Das Meeting ist für uns alle sehr positiv ausgefallen.


Nun zu meinem bisher größten Projekt, bei dem ich wirklich die ein oder andere schlaflose Nacht verbracht habe, aber nun endlos glücklich bin, dass es geklappt hat:
Die Geschichte die ich nun erzähle beginnt im September 2011. Srinivas, 36Jahre alt, seit 7 Jahren querschnittsgelähmt, wohnt mit seiner Tochter in ärmsten Verhältnissen in einem kleinen Haus, dass mit der Hilft von Spendern gebaut hat. Srinivas wurde wegen seiner Behinderung von seiner Familie und seine Frau verstoßen, und die beiden haben einen Raum zu Verfügung, in dem geduscht, gekocht und geschlafen wird. Ich betreue Srinivas und seine Tochter seit Beginn meines Dienstes hier, und habe sozusagen eine besondere Beziehung zu diesem Projekt.
Nach mehreren Besuchen war schnell klar, das ein Toilettenhaus her muss, und ich habe mit meinen Kollegen begonnen das Mamut Projekt Toilettenhaus aufzunehmen.
Dabei muss man sagen, dass es im Functional Adaptation Program nicht alleine darum geht, eine Adaptation hinzusetzen. Einbezug von lokalen Freiwilligen, Familie und Nachbarn, sowie die Motivation zum aktiv werden und Hilfe zur Eigenständigkeit sind wichtige Komponenten meiner Arbeit.

Was anfangs noch als sehr einfach erschein, stellte sich für mich als Geduldsprobe heraus. Nicht nur das Entwerfen der Idee und das Konstruieren von Plänen und Ausmessen, sondern auch das Verhandeln mit lokalen Politikern und Nachbarn stand an der Tagesordnung. Somit haben wir ein halbes Jahr wöchentlich damit verbracht, unsere Pläne zu ändern und sie abzugleichen.
Nach meiner Tour durch Indien war es dann endlich soweit, Anfang Januar konnte mit dem Bau begonnen werden.

Die ersten beiden Bilder zeigen Aufnahmen vor Baubeginn. Hier sind die kapputte Rampe, sowie der hintere Teil des Hauses zu sehen. Das Interessante an diesem Bauprojekt ist, das wir die Idee hatten, eine Wand einzureißen und somit mehr Platz im Haus selbst zu haben. Man muss sich immer dessen bewusst werden, dass ein Rollstuhl viel Platz braucht und die Benutzung so angenehm wie möglich erfolgen sollte.


























Der erste Spatenstich fällt. Mitte Januar beginnt das Bauprojekt, und es wird damit begonnen, die Pit auszuheben. Indische Toiletten sind ein halbes Plumsklo, obwohl der Auffangbehälter aus religiösen Gründen einen gewissen Abstand zum Haus haben muss. Hier ist also zu sehen, wie einer der Arbeitet ein Loch aushebt. Es ist inzwischen 6ft tief.

 




Vorbereitung für das Fundament des Hauses

Zu meinen Aufgaben zählt unter anderem auch das Beschaffen das Materiales. Somit war ich damit beschäftigt, mit einem kleinen LKW Steine(groß und klein), Zement, Sand, Rohre, ein Dach aus Stahl, usw zur Baustelle zu transportieren. Daneben beaufsichtige in den Bau und achte auf die genauen Maßeinheiten und helfe ab und zu als Freiwilliger aus.

Hier nimmt das ganze bereits Formen an  

Ende Februar hatte ich das holde Werk vollbracht. Ich hätte hier wirklich gerne ein Bild des vollendeten Toilettenhauses gezeigt, allerdings hat sich die Speicherkarte meiner Kamera aufgehängt. Ein Bild wird bald nachgeliefert. Sorry ;-)
Srinivas und seine Tochter haben also nun die Möglichkeit, barrierefrei vom Haus in ihr Toilettenhaus (Anbau) zu gehen, und dort das tägliche Bad und ihre Toilette zu verrichten. Das Bad haben wir so konstruiert, dass Srinivas auf einer Toilet Seat Commode gleichzeitig auch duschen kann. Es gibt zwei seperate Wasseranschlüsse, die aus dem Haus rechts und links rausführen.

Wie oben gezeigt ist die alte Rampe etwas demoliert. Dort wo die alte Rampe ist, steht nun eine große Plattform mit anschließender Rampe.
Es ist mir immer ein wichtiges Anliegen, die Klienten zur Eigenständigkeit anzuregen und Ihnen eine BEschäftigung zu geben. Im Hinduismus wird die Behinderung meistens so wie sie ist akzeptiert, und man muss dann damit leben. Srinivas hat also von uns auch eine Küchen Adaptation bekommen, die es ihm ermöglicht, Essen zuzubereiten (Gasherd, Spüle) und zu spülen.
Der Bau hat rund 30000 indische Rupien gekostet, teils von Samuha finanziert. Ich habe vor dem Bau lokale Spenden gesammelt, was auch zu meinen Aufgaben gehört. Schon mal ein Toilettenhaus gebaut? Check.



Natürlich durfte ich während des Baus für Srinivas die anderen Klienten nicht aus den Augen verlieren. Adaptations sind nicht nur Rampen, sondern auch Festhaltestangen an Wänden. So habe ich für Senkraya, Locomotor Diasbility, ein Stahlrohr an seiner Hauswand angebracht, um ihm das gehen in seinem Haus zu erleichtern. Senkraya gehört zu meinen Lieblingsklienten, weil er laut singend auf dem Fahrrad durchs Dorf fährt und viel Freude und Motivation versprüht.
Da ist schon die eine oder andere Stunde bei einem Tee vergangen,  bei der wir uns verquatscht haben. Ich muss in meiner Arbeit einfach manchmal um die Ecke denken. Ein Seil über dem Bett kann das alltägliche Leben um einiges verändern.



Auch für Amresh in Hiresindogi war ich aktiv. Amresh, Querschnittslähmung, hat eine Paddle Bar bekommen. Hier kann er stehen und sein Gleichgewicht trainieren. Die Paddle bar ist ebenfalls dazu gedacht ihn aus dem Bett zu kriegen, und ihn dazu zu animieren, tägliche Übungen für seinen Oberkörper zu tun (diesen braucht man um den Rollstuhl gut betätigen zu können).



Und dann ist es schon wieder Abend in Koppal, es war heute echt wieder ganz schön heiß. Nach ein paar schönen Tagen in Bangalore bei einer Freundin freue ich mich auf die Arbeit im März.
Im April und Mai bekommen Moritz und ich dann wieder Besuch. Zunächst kommt einer meiner besten Freunde Malte aus meiner Dortmunder Jazzband nach Indien um mit mir ein bisschen zu reisen. Anschließend kommt meine Mutter mit zwei guten Freunden der Familie.
Im Mai schauen zwei Freunde aus Kalkutta vorbei.



Zum Schluss noch ein Foto von meinem neuen Kollegen Virupaxi
(mit dem ich seit Januar auf dem Motorrad durch die Dörfer fahre):

Virupaxi ist seit 16Jahren der Programmkoordinator der Community Based Rehabilitation und wir haben wirklich eine wahnsinnig schöne,produktive und gute Zeit zusammen. Ich lerne viel von ihm. Er hat wirklich ein gutes Händchen dafür, mir mit viel Humor viel beizubringen und hat viel Spaß dabei, auf dem Motorrad mit ganzer Leibesseele indische Bollywood Lieder zu singen. Ach, Indien.


Das wars mal wieder vom anderen Ende der Welt.
Bei Fragen oder der einfach Interesse mir etwas zu schreiben könnt ihr euch gerne bei oschmann-florian@web.de melden!



Ein herzliches Namasté wünscht Euch,
euer deutscher Inder Ravi (das ist übrigens mein Name hier in Indien.....)


Mittwoch, 1. Februar 2012

Halbzeit in Indien


Liebe Verwandte, Freunde und Bekannte,
liebe Sandra(SCI)
lieber David, lieber Jürgen,

Indien ist wie ein alter Citroen:(ihr wisst schon, das Dreirad ohne Seitenspiegel, bei dem man gut daran tut sich den Tankstand zu merken) Der Citroen läuft schon irgendwie. Das tut Indien meistens auch. Das eine hat zu viele Kilometer bringt dich immer ans Ziel, das andere hat zu viele Einwohner, ist kunterbunt mit vielen Farben und hat die nettesten Menschen der Welt. Beides ist dein bester Freund, du musst eine Leidenschaft dafür entwickeln. Beides ist riesig groß. Verlass dich nicht immer auf deinen besten Freund, aber vertraue ihm immer. Erwarte nichts, und erwarte alles.

Es ist Halbzeit. Der Schiri pfeift, die Spieler gehen in die Kabine. Alle reden darüber was die letzten 45 Minuten passiert ist, die Fans stehen mit einem Bier und einer Wurst am Spielfeldrand und lassen das Revue passieren, was sie eben gesehen haben.

Ich übertrage dieses Beispiel zu mir nach Indien. Der fünfte Auslandsmonat hier bei Samuha ist rum, ich gehe in mein Büro, klappe mein Laptop auf, hole mir einen Chai und lasse Revue passieren was das letzte halbe Jahr hier gelaufen ist.
Es ist viel passiert, ich habe viel gesehen, erlebt und gearbeitet, und ich schaue zurück auf ein halbes Jahr voller Emotionen, Erlebnissen und einer wahnsinnig tollen Zeit in meinem geliebten Incredible India.


Es ist Oktober 2011, und Indien ist nicht mehr so neu, hektisch, laut und dreckig. Die Stadt Koppal ist zu einer wirklich schönen Stadt geworden, die man nach sechs Wochen aus völlig neuen Augen sieht.
Die Weißheit „Deine Seele hat ein Ticket zu Fuß und kommt nach sechs Wochen an“ stimmt wirklich. So gab es im Oktober das erste Schlüsselerlebnis, dass ich hier erwähnen möchte.
Moritz und ich gehen zum Gavideshrowah Tempel, ein sehr bekannter und großer Tempel hier in Koppal. Wir treffen uns mit Swami, dem Bischof der Stadt Koppal, und haben eine lange Unterhaltung und ein schönes Abendessen mit ihm.
Anschließend passiert etwas was man eigentlich kaum in Worte fassen kann.

Wir setzen uns auf den Berg hinter dem Tempel, und haben Koppal vor uns. Die Sonne geht unter, und leiser Staub legt sich in das samtrote Koppal nieder, dass gerade langsam einschläft. Genau in diesem Moment beginnt eine indische Combo am Fuße des Berges zu spielen, und wir erleben den wohl bewegensten Sonnenuntergang unseres Lebens.
Das vorher wirklich laute und staubige Koppal verwandelt sich zu einem zu Hause, das uns für die nächsten Monate aufnimmt und in dem ich mich seit dem einfach nur wohl fühle.
Nach circa sechs Wochen bin ich also in Samuha und in Indien angekommen.

Somit erlebe ich Situationen, die vorher erschreckend und unschön waren ganz angenehm und schön. Es ist eine Sache der Natur das in der 30.000 Einwohnerstadt Koppal und in einem Dorf ein Weißer die Weltattraktion ist, und so ist es an der Tagesordnung das IMMER mindestens dreißig Inder um dich herum stehen und gucken.
Anfangs habe ich dies als unangenehm empfunden. Mitten in der indischen Kultur verstehe ich mittlerweile das jeder einzelne Inder, der um einen herum steht, die größte Interesse an dir hat und wirklich von Grund auf herzlich ist und wissen will wie es einem geht, und was man hier macht.
Ein Umstand, den ich anfangs als komisch empfunden habe ist mittlerweile unabdingbar für meine Arbeit im Village/im Slum. Als ich angefangen habe meine ersten Klienten zu besuchen kamen alle Menschen des Dorfes um zu sehen was ich tue.

Erst nach ein paar Wochen habe ich verstanden, dass ein Inder wirklich für einen Tag seine Arbeit liegen lässt um dir zu helfen. Aus einem anderen Augenwinkel betrachtet ist mir aufgefallen, dass mir die Dorfbewohner wirklich helfen möchten und eine unglaubliche Interesse am Rampen bauen haben.
Mit diesen Erlebnissen wurden wir von unseren Direktoren Anfang Otkober mit dem Programmkoordinator Aylappa (Moritz Kollege) nach Bangalore auf eine Dienstreise geschickt, um mit einer Organisation namens APD (The Association for People with Disabilities) in Kontakt zu treten und zu sehen, wie man Menschen individuell helfen kann. Auch das zuerst hektische und chaotische wirkende Bangalore war auf einmal eine sehr zahme Stadt mit einem ganz normalen Alltagesleben.
Zurück auf dem Land wurde dirket ein erster kleiner Urlaub in Ayalappas Village angehängt. Das für die Inder wichtige Festival „Dipawali“ wurde gefeiert, und dies nahmen Moritz und ich zum Anlass fünf Tage richtiges Village Life zu genießen.
In einem normalen Village gibt es keinen Strom (zumindest nur für ein oder zwei Stunden am Tag), man muss drei Kilometer laufen um Wasser zu holen, man wäscht Kleidung und sich selbst im naheliegenden Fluss, und Essen wird natürlich auf Feuer gekocht.
Ein Urlaub, den ich wirklich als schön empfunden habe, weil wir durch das Festival wieder ein bisschen näher an die indische Kultur des Hinduismus kamen. Wir wurden gleichzeitig von Aylappa getauft, seitdem trage ich immer einen roten Punkt auf der Stirn.

In diesem Urlaub haben Moritz und ich vor allem das Schlafen auf dem Dach als sehr spirituell empfunden, weil die ganze Nacht Livemusik gespielt wurde, und wir so von indischen Tönen in den Schlaf gewiegt wurden
Wieder zurück in Koppal war dann die Schonfrist endgültig vorbei, und es ging ans eingemachte. Samuha hatte uns einige Wochen Zeit gegeben uns einzugewöhnen und das Projekt kennen zu lernen, und Mitte Oktober wurde dann angefangen zu arbeiten.
Was ich hier wirklich genau mache erkläre ich immer nur in Wortfetzen, und deshalb nutze ich diesen Bericht um einmal ausführlich zu beschreiben was hier eigentlich genau passiert.

Mein Projekt heißt „Functional Adaptation“. Das Projekt bestand schön längere Zeit, wurde aber 2009 richtig aufgezogen. Das Projekt hat das Ziel, die Lebenssituation Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung zu verbessern. Dabei geht es um behinderte Menschen, die seit ihrer Geburt behindert sind oder durch einen Unfall/eine Krankheit behindert geworden sind, und Hilfestelllung benötigen, alltägliche Dinge zu meistern.
Alltägliche Dinge sind eigentständig aufstehen, Transfer vom Bett in den Rollstuhl, Toilette/Waschen, Kochen und andere Dinge.
Dabei steht vor allem im Vordergrund, die Personen so zu rehabilitieren, dass das Leben möglichst bis ganz eigenständig und barrierefrei gemeistert werden kann.
Hierzu muss ich sagen, dass die Infrastruktur und (berufliche)Möglichkeiten, sowie finanzielle Unterstützung für behinderte Menschen im ländlichen Indien aus meinen Augen wirklich katastrophal bis nicht vorhanden sind.
Es fehlt für behinderte Menschen wirklich an allem. Busse können aufgrund der Höhe der Busse nicht genutzt werden, wie soll eine Person die nur 400Rp bekommt einen Arzt bezahlen und gleichzeitig eine Familie ernähren?!



Ebenfalls muss ich hier anfügen, dass es viele kleinere größere Konflikte gibt, die mich in meiner alltäglichen Arbeit begleiten, die meine Arbeit hier aber so spannend macht.
Ich sehe Indien immer aus verschiedenen Augenwinkeln und versuche Sachverhalte unterschiedlich zu betrachten.
Aus dem Augenwinkel von Behinderungen entstehen in Indien viele Behinderungen durch Umstände, die man vielleicht durchaus vermeiden könnte.
Es ist natürlich schwierig und nicht gut eine Kultur von außen zu beurteilen, aber ich kann bis heute nicht nachvollziehen das eine hohe Anzahl der Behinderungen auf dem Land aufgrund von Family Marriages entstehen.
Auch im Hinblick auf (Arbeits-) Sicherheit, und vor allem Verkehr, gibt es viele Behinderungen die aufgrund von fehlendem Wissen und einer nicht intakten Infrastruktur entstehen.

So sieht man hier weit und breit nur Motorradfahrer von Samuha-Samarthya, die mit einem Helm fahren.
Alkoholismus am Steuer vor allem in den Abendstunden ist u.a. ebenfalls ein Grund für die erhöte Anzahl von Behinderungen die hier in Nordkarnataka vorzufinden ist.
Man muss sich hier in meiner Arbeit dessen bewusst werden, dass auf dem Land ein anderes Denken in den Köpfen vorhanden ist, was in keinem Fall negativ ist.
Nicht nur das Aussehen der Villages(z.B. bestellen der Felder mit Oxen Karren), sondern auch das Leben hier ist konservativ, und im Vergleich zu Bangalore und großen Städten sehr zurück und in der Vergangenheit.
Dies ist im Bezug auf Traditionen sehr positiv, im Kontext der Behinderungen aber durchaus als negativ einzustufen.

Meine Arbeit besteht deshalb natürlich nicht nur aus Rampen bauen, sondern auch aus viel Aufklärungsarbeit.
Ich habe in Koppal und den Dörfern um Koppal einen neuen Klientenpool aufgemacht, und hatte somit im ersten Monat durchaus Startschwierigkeiten, bis ich anfangen konnte über das Bauen von Rampen nachzudenken.
Die Startschwierigkeiten gestalten sich dadurch, dass es zunächst gedauert hat, davon zu überzeugen das eine Adaptation nötig ist.
Es hat also seine Zeit gedauert, die Familien davon zu überzeugen das ich wirklich daran interessiert bin etwas in die Tat umzusetzen.
Ich habe von der indischen Kultur und Arbeitsweise gelernt, dass es hier etwas länger dauern kann, bis man zu einem Ergebnis kommt. Dies hängt damit zusammen, dass sich indische Menschen wirklich viel Gedanken machen und zu einer guten Lösung kommen möchten.
Als ich also immer zur vereinbarten Zeit vor der Tür stand und oft mein Anliegen vorgetragen habe, kam von Seiten der Dorfbewohner eine große Interesse.

Bei vielen Klienten und Familien findet man schnell eine gute Lösung, bei einer anderen Familie dauert es ein bisschen länger bis man gemeinsam etwas erarbeitet hat.
Das Wort gemeinsam wird hier in jedem Fall als sehr hoch angesehen. Die Familie und vor allem die Eltern sind sehr heilig. Ich muss bei meiner Arbeit berücksichtigen, dass auch die Dorfgemeinschaft ein wichtiges Wort mitzureden hat, was mir anfangs nicht so beuwsst war.
Schließlich leisten die Nachbarn für mich eine wichtige Arbeit und helfen mir dabei das Projekt umzusetzen.
Es ist in diesem Kontext aber auch schwer nachzuvollziehen, dass das Village nicht akzeptiert, eine Toilette oder eine Adaptation zu bauen.
In vielen Villages ist die Person mit Behinderung nicht integriert. So habe ich einen Klienten, der mit dem Grad seiner Behinderung durchaus viel tun könnte, jedoch u.a. wegen dem Verhalten des Dorfes sich nicht traut aus dem Haus zu gehen und seit 1 ½ Jahren im Bett liegt.

Es ist immer mein klares Ziel, die Person mit der Behinderung in den Mittelpunkt zu stellen, und die individuell beste Lösung zu schaffen.
Ich habe es mittlerweile gut raus, über Lösungen und Ideen zu verhandeln.
Manchmal ist es dennoch schwer sich einzugestehen das man zwar finanzielle Möglichkeiten und andere Hilftsmittel parat hat, um mit dem Bau der Adaptation zu beginnen, die Kultur meinen Ideen vom Aussehen/der Umsetzung allerdings nicht entspricht. So muss ich einsehen, dass ich manchmal einfach nicht (optimal) helfen kann.

Ich möchte hier ein Beispiel nennen. Ich betreue seit September den kleinen Srinnas, der 10 Jahre alt ist und an Cerebral Palsy leidet, eine geistige Behinderung bei der eine Hälfte des Gehirnes eingeschränkt ist und das Kind somit über gewisse motorische und geistige Fähigkeiten nicht verfügt. Nach mehrmaliger Absprache wollte ich eine Treppe und eine Sitting Consruction im Bad bauen, allerdings kam das Gespräch mit der Familie nicht ganz in Gang.
Zu den Konflikten zählt unter anderem das es meinen Klienten unangenehm ist zuzugeben das die ein Problem haben und ich manche Probleme, die eigentlich in Null Komma Nix gelöst wären (wen ich denn davon wissen würde) erst sehr spät oder nichts erfahre. Durch genaues Nachhaken erfahre ich also, dass der Großvater dem Bau der Adaptation nicht zustimmt weil ich ihm seine Beine nicht zurückbringen kann.
Wer mich gut kennt weiß, dass ich sehr ehrgeizig bin und ein Projekt nicht loslasse bevor es perfekt ist. Ich muss einfach von meinem Charakterzug her lernen, dies mit der indischen Arbeitsmentaliät in Verbindung zu bringen. Manchmal gelingt es besser, manchmal schlechter.

Die Menschen hier mit denen ich zusammenarbeite arbeiten anders, und ich mag den indischen Alltag und die Arbeitmentalität auf jeden Fall sehr. Vor allem der langsame Start in den Tag empfinde ich als sehr entspannend.
Ja, der Inder und die Zeit. Ich als überpünktlicher Deutscher, der in circa fünf Jahren als Grundschullehrer in Deutschland das Beamtentum pflegt kann natürlich manchmal gar nicht verstehen warum das denn manchmal so lange dauert.
Wenn ich dann mal eventuell selten etwas rumstresse holt mich mein Lieblingsreisepartner Moritz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: „FLO, Entspann dich;-)“.

Ich möchte hier betonen, dass die kleineren und größeren Konflikte in meiner Arbeit nur ein kleiner Teil sind und ich viel Raum habe, die Konflikte zu lösen und zu verstehen, warum des den Konflikt/das Problem gibt. Manches verstehe ich, manches verstehe ich nicht. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich in einem wirklich guten Projekt gelandet bin in dem man viel lernen und bewegen kann.
Ein paar Probleme lösen sich, andere dafür nicht. Ich liebe meine Arbeit hier wirklich sehr und es ist so spannend, weil ich kein Standardprogramm durchrocke, sondern mit Menschen von 0-99 zu tun habe, viel kreativ arbeiten darf, jeden Tag neue Klienten und neue Arbeitsplätze habe und einfach unfassbar viel lerne. Als die Idee in meinem Kopf entstand nach dem Abitur einen Freiwilligendienst im Ausland zu leisten war das Ziel, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern und einen kleinen Teil tun, um die Welt besser zu machen.
Ich wüsste also nicht wie man in einem Freiwilligendienst irgendwo besser Menschen aktiv helfen kann. Es ist einfach umwerfend den Erfolg zu sehen, den man bei einer Familie sieht.

Meine Arbeit ist sehr frei und es gibt bei Samuha-Samarthya keine festen Arbeitszeiten.
Ich empfinde es als sehr angenehm, dass ich selber entscheiden darf, wie ich wann welchen Klienten besuche und wie ich meine Arbeit gestalte.
Ich mache mir vorher Gedanken, was ich an einem Arbeitstag erreichen möchte. Es besteht von seiten meiner Vorgesetzen keine Kontrolle, die Arbeit ist auf Vertrauensbasis.
In wöchentlichen Meetings am Samstag werden die Ergebnisse der Woche besprochen und mein Team möchte natürlich saubere Ergebnisse von Projekten sehen, allerdings ist es mir überlassen wie ich das Projekt umsetze.
In den wöchentlichen Meetings besprechen wir Probleme und ich bekomme Unterstützung.
Dieser Umstand macht die Arbeit sehr reizend, weil ich viel ausprobieren darf und mit viel Kreativität am Werk Adaptationen planen darf. Natürlich habe ich Kollegen an meiner Seite, die mit mir die Verantwortung tragen.
Ich fahre also tagtäglich mit meinem Partner Dörfer ab um dort Klienten zu besuchen.
Ich muss sagen das ich wirklich gut ausgefuellt bin und all meine Energie ins Projekt stecken kann. Nach einem entspannten Start in den Tag startet meine Arbeit meistens um 10:00, da ich aber auf dem Campus lebe und arbeite kann man Arbeit und Zu Hause manchmal nicht ganz trennen, was ich nicht als negativ empfinde. Ich komme meistens gegen 16:00h wieder nach Hause, wenn ich um 14h wieder auf dem Campus bin kann es sein das ich mich abends nochmal etwas an meinen Schreibtisch setze um etwas zu schreiben.
Es ist sehr angehem, dass der Campus zwei Ebenen hat. Unten wird gegessen und gearbeitet, oben wird gelebt und geschlafen. Wenn ich also die Treppe hoch gehe kann ich meine Arbeit hinter mir lassen und in meine Privatsphäre eintreten.
Da ich viele Klienten habe arbeite ich von Montags bis Freitags, am Samstag ist das allwoechentliche Staff Meeting.

Ich verbinde meine Partnerorganisation immer mit den Campusen (Koppal und Kanakagiri) und ich empfinde das Eintreten in einen Samuha Campus als das Eintauchen in eine kleines Paradies, ein kleines vollkommenes Indien im großen Indien. Man kann hier immer zur Ruhe kommen und sich einfach: wohl fühlen.
Ich weiß auf jeden Fall das meine Partnerorganisation alle Hebel in Bewegung setzt das es mir gut geht.
Ich würde das Verhältnis zur Partnerorganisation also als ausgezeichnet und exzellent bezeichnen. Aufgrunddessen das ich auf dem kleineren Campus lebe und meine Kollegen abends zu Zimmerpartnern werden finden schonmal die ein oder anderen Zimmerpartys auf dem Campus statt. Das Verhaeltnis zu den Freunden ist wirklich aeusserst gut und wir haben oft Spass zusammen.
Da die Menschen auf dem Campus dafuer verantwortlich sind das es dort so schoen sind kann ich sie auf jeden Fall als Freunde bezeichnen

Weil die Zeit hier wirklich wie im Flug vergeht war bereits November , und meine Hartnäckigkeit und Arbeit im September und Oktober haben sich im November ausgezeichnet.
Ich habe es im November geschafft, meine ersten beiden Adaptationen zu bauen.
Völlig aufgeregt und sehr gespannt habe ich mit Kollege Annand also begonnen, eine Rampe in Hiresindogi zu bauen. Weil ich anfangs noch sehr vorsichtig war hat das bauen neun Stunden gedauert, weil ich mit Maßband und Block und Stift immer nachgemessen habe ob die Maße stimmen.
Wenn mich mein Teamkollege auf Kannada (Sprache die in Karnataka gesprochen wird) vorstellt, dann bin ich mittlerweile der deutsche Ingenieur;-). Ich hoffe das mir das die lieben Handwerker und Freiwillige nicht übel nehmen aber man muss dann doch ein bisschen genauer sein. Ich gebe beim Bau die Anweisungen und setze den Punkt, eine Tatsache die anfangs neu und komisch war.

Es ist die Tatsache das mir Samuha wirklich unfassbar viel Verantwortung überlässt und mich nochmal stärker dazu motiviert, gute Arbeit abzuliefern.
Schließlich trage ich zusammen mit meinem Kollegen die Verantwortung, und setze viele Spendengelder um.
Im ersten eigenen richtigen Urlaub ging es im November nach Hyderabad zu Lukas, dort haben wir sein Projekt besucht und ein paar schöne Tage mit ihm verbracht. Es war schön sich auszutauschen und gemeinsam Zeit zu verbringen.
Zurück in Koppal wartete das Hillary Team aus Kanada auf uns.

Hillary ist eine Kanadische Physiotherapeutin die zwei mal im Jahr mit Stundenten zu Samuha kommt, und in der Physiotherapie und bei allgemeinen Fragen hilft.
Das Team bestand dies mal aus ihr plus vier Stundenten aus Toronto, mit denen ich hier wirklich eine geile und geniale Zeit hatte und von denen ich unfassbar viel gelernt habe.
In meinem Freiwilligendienst in Indien ist es sehr schön für mich, dass ich viel Wissen über Behinderungen bekomme und lerne, wie man mit behinderten Menschen umgeht.
Bei mehreren Klienten haben wir es geschafft in Zusammenarbeit von Physiotherapie/Early Intervention und Functional Adaptation eine optimale Förderung für die Person herzustellen.
Es war wirklich fruchtbar von den Stundenten zu lernen und gemeinsam über Plänen zu sitzen und sich in endlos langen Gesprächen auszutauschen. Natürlich kamen auch gemeinsame Akitiväten nicht zu kurz.
Ich möchte nochmal ein Wort über Samuha verlieren. Ich bin hier von einem Team umgeben das mich ständig umsorgt und wo es immer jemanden gibt den man fragen kann warum das jetzt so ist. Physiotherapeut Prabhakar, der wirklich ein guter Freund und Kollege geworden ist, kommt immer gleich mit zwei Tees an und löst schnell Fragezeichen auf.
Eigentlich könnte man denken das es doof ist mit seinen BEIDEN Chefs (Direktor und Stellvertreter) im Büro zu sitzen, ich finde es aber ziemlich cool meinen Schreibtisch hier zu haben. Auch meine beiden Direktoren Bassappa und Hampanna, zu denen ich wirklich ein gutes und offenes Verhältnis habe, darf ich von morgens bis abends mit Fragen löchern. Sie haben mich noch nicht rausgeworfen;-) und haben (wenn sie Zeit haben) immer eine Antwort parat.
Ich lebe hier in meinem kleinen und süßen Zimmer auf dem Koppal Campus, der sich abends wenn die Sonnne untergeht von Arbeiten in Wohnen umwandelt. Zum Essen kann ich nur sagen: Es ist so lecker, dass Moritz und ich ein bisschen zugenommen haben. Ohne ein Frühstück und eine Extraportion beim Abendessen lässt mich Nachtwächter Irappa nicht zur Arbeit/ins Bett. Wenn ich abends müde aussehe macht Irappa eine heiße Milch mit Honig. Man muss sich ja ein bisschen verwöhnen lassen;-).
In Bezug zur Sprache muss ich allerdings sagen das ich ueber die ersten Worte Kannada nicht hinausgekommen bin und ich erhebliche Probleme habe die Sprache zu lernen.
Da ich allerdings daran beteiligt bin die Camps zu leiten lerne ich viel die indische Gebärdensprache und kann mich immer besser mit den Kindern verstaendigen. Ich spreche hauptsächlich Englisch und oft Gebärdensprache und merke wie auch mein Englisch immer besser wird.

Hier bei Samuha bin ich wie schon beschrieben mit so verantwortungsvollen Aufgaben betraut das ich manchmal in Erinnerung rufen muss: Hey, ich bin eigentlich “nur” ein kleiner “Freiwilliger”. Für Samuha und die Kollegen bin ich allerdings ein vollwertiges Mitglied, dessen Stimme genau gewertet wird wie die eines anderen aus dem Team.
Hier in Indien merke ich durchaus manchmal mehr, manchmal weniger das wir als weiße Deutsche in absolut anderer Weise behandelt werden und manchmal Privilegien erhalten, die zum Teil unangenehm sind.
Zu meinen Freunden und Kollegen habe ich allerdings ein sehr aufgelockertes Verhältnis.


Ebenfalls der monatliche Austausch zu den Mentoren Jürgen und Manoha sind sehr wichtig, weil es wie schon beschrieben Konflikte gibt, die sich im Alltag nicht auflösen und wo man dann mal nachfragt und eine Antwort braucht.
Ich werde hier sehr ernst genommen, und spüre, dass ich ein vollwertiges Mitglied des Teams bin.

Der Kontakt zum Bonner SCI Büro ist rege, allerdings habe ich wirklich das Gefühl das wenn es wirklich ein Problem gibt ich mich bei Sandra melden kann. Es ist für Moritz und mich wirklich immer umwerfend in was für einer Rekordzeit es eine Antwort von Koordinatorin Sandra gibt. Da merkt man immer wieder das auch der SCI einen sehr umsorgt.
Mehr Kontakt gibt es dagegen zu Mentor David, den man mal per Mail etwas fragen kann und wo auf jeden Fall auch schnell etwas zurück kommt.
David kommt im Februar nach Indien (u.a. Um mit uns zwischenauszuwerten) und wir werden sehr viel zu reden haben. Wir freuen uns sehr auf seinen Besuch.
Der Monat Dezember war ebenfalls durch den Bau von zwei weiteren Adaptationen für mich sehr erfolgreich. In einem viertägigen Lehrgang wurde das komplette Samarthya Team für das kommende Jahr fit gemacht. Wissen wurde aufgefrischt. Die Themen waren Querschnittslähmung, Schlaganfall, Deafblindness (hier fehlt beim vielen englisch reden mal wieder die dt. Übersetzung), MS und Early Intervention.
Mitte Dezember war es dann endlich soweit. Die lang ersehnte Trackingtour in den hohen Norden und anschließend nach Goa stand endlich vor der Tür. Mit dem Trackingruksack ging es knapp 5000km mit dem Zug durch Indien. Die Reise war unbeschreiblich und wirklich atemberaubend.

Abschließend muss ich sagen, dass es für mich und Moritz wirklich ein Problem sein wird, Indien zu verlassen, und wieder in Deutschland klar zu kommen.
Natürlich komme ich wieder, allerdings gibt es schon wirklich vieles was mir hier in Indien gefällt und was ich sehr liebe. Es wird auf jeden Fall schwer sein sich von Samuha zu verabschieden und im geliebten Bangalore in den Flieger zu steigen.
Als ich letztens im Bett wirklich überlegen musste, bis ich die dt. Notrufnummern von Polizei und Feuerwehr sagen konnte habe ich gemerkt: Wow, ich bin mitten in Indien!




Ja, und was passiert demnächst? Es ist Halbzeit in meinem Auslandsjahr. Durch den Weggang meines ehemaligen Teamkollegen Annand arbeite ich jetzt mit Virupakshi, ein ebenfalls sehr kompetenter Kollege der seit 16Jahren für Samuha arbeitet und weißt wie der Laden und der Hase läuft. Es ist durchaus ein bisschen schade, weil ich mit Annand eine schöne Zeit hatte und er mir viel beigebracht hat, es ist aber wirklich auch sehr produktiv mit Virupakshi zu arbeiten.
Hier bei Samuha geht dieses Jahr wirklich die Post ab. Ich baue ein Toilettenhaus, baue den Garten des Campuses behindertengerecht um und organisiere nebenbei mit dem anderen Virupakshi Camps und taubstumme Kinder. Leider merken auch Kinder in Indien sehr schnell, dass meine feinmotorischen Fähigkeiten und vor allem der Umgang mit Bällen irgendwo zwischen Kindergarten und Grundschule stecken geblieben sind:D. Sie haben viel Spaß mit mir.
Als zukünftiger Pädagoge ist es für mich wirklich interessant zu sehen wie sich taubstumme Kinder verhalten und wie man diese fördern kann. Ich habe gemerkt das man sich sehr konzentrieren muss und viel mit Mimik, Gestik und Körpersprache arbeitet.

Bevor mir Sandra im Bonner Büro und Mentor David an die Gurgel springen beende ich nun meinen Bericht.
Schließlich gibt es noch ein paar andere Scheißerle vom SCI die grade in der Weltgeschichte rumturnen und ein paar Berichte an Sandra schicken.
Ach Indien! Ich bin wirklich froh das ich hier noch ein halbes Jahr genießen, leben und arbeiten darf. Allerdings merke ich das die Klientenliste auf meinem Schreibtisch immer länger und die Zeit in Indien immer kürzer wird. Was passiert in diesem Jahr? Das weißt du in Indien nie.
Warte mal,ja: ich glaube die zweite Halbzeit beginnt.Der Stadionsprecher Norbert Dickel kündigt die Spieler an, Jürgen Klopp setzt sich auf die Trainerbank und die Fans stimmen ihre Mannschaft an. Alle fragen sich: Gewinnen wir, was passiert bloß? The answer my friend, is blowing in the wind, the answer is blowing in the wind.

Hier wird es Abend, und leise legt sich der samtrote aufgewirbelte Staub auf dem zarmen Koppal nieder. Koppal schläft leise ein. Es ist ganz still hier und andächtig, man hört wie im Orient die schöne Melodie des Muezin der zum Abendgebet ruft.
Morgen geht es wieder los, ab aufs Motorrad, erster Gang rein, schön hinten festhalten und mit Virupakshi in der indischen Brise durch Indien.
Hier soll ich bald wieder weggehen, frage ich mich !?
Und trinke meinen Tee aus, klappe ganz schnell mein Laptop zu, und genieße das unglauliche: Indien........